Im Mosaik-Workshop von Marcel Krüßmann erproben Große und Kleine seine Materialien und ihre Talente
Verborgene Talente - wie kann man sie entdecken, bei sich und anderen? Ein Weg führt zur Wald Galerie. Wanderschuh, Fahrrad oder PKW treiben im KreativHerbst fantasievolle Menschen zum Waldgrundstück von Marcel Krüßmann nach Ferch.
Dort wartet am 23. und 24. Oktober 2021 der Bildhauer, Mosaikkünstler und Musiker vor seinem Werkraum auf seine Mosaik-Workshoppers: mit Materialvorräten, Maschinen, Musterkreationen aus seiner Hand und - ja, aus derselben Hand - Mittagessen sowie molliger Wärme drinnen bei 7° erfrischenden Temperaturen draußen.
Vier Frauen aus Ferch, Caputh und Berlin sind neugierig und mutig genug, Samstag und Sonntag insgesamt 12+ Stunden lang - Pausen inklusive- handwerklich und kreativ tätig zu werden: open ending, wenn das Kreativprojekt zu groß geraten und die Zeit zu knapp geworden ist. Muße und Geduld sind die kostbarsten Ressourcen für Kreative - und ihre größten Herausforderungen.
Andrea, Juliane und Gudrun haben schon am vorherigen Wochenende mit ihrem Mosaik-Projekt begonnen, Anke kommt frisch hinzu.
Andrea aus Berlin kommt heute mit wenigen Handgriffen zu ihrem Gestaltungsziel: einer kunterbunten Mosaikmegakugel in Birnenform. Ein eye catcher schon in Marcels Kreativ-schuppen, umso mehr demnächst in Andreas Heim. Das Prunkstück und ihre glückliche Erbauerin werden mit einem erquickenden Schlückchen gewürdigt.
Juliane aus Ferch gefällt ihr Halbzeitprodukt vom letzten Wochenende. Uns anderen auch:
Heute braucht sie neues Material. Selbst ist die Frau: Mit Hammer und Zange, die Augen hinter einer Schutzbrille, lässt sie ihre destruktive Kraft an einer ausgedienten Keramikunter-tasse aus. Und beweist beim Zerbrechen, Zerkleinern und Zerschneiden und vor allem beim Einsetzen der Teilchen auf der Klebefläche ihres Mosaikbildes viel feinmotorisches Geschick:
Mit einer Vielfalt an Materialien (Keramik, Porzellan, Glas), Formen (unregelmäßig gebro-chenen oder geschliffenen Steinchen, Blüten, Blättern, Vergrößerungshalbkugel, Schnecken-haus, Eidechse) und Farben aus dem gesamten Lichtbündel formt sie eine fantasievolle Mosaiklandschaft mit Relief.
Am Sonntag, dem siebten Tag der Woche, ruht Juliane, nachdem sie ihr Werk am Samstag vollbracht hat. Die Werkstattfrauen und Marcel feiern ihr Kunststück und sie:
Workshop-Leiter Marcel Krüßmann bereitet seine Mosaik-Kreativtage umsichtig vor, heizt das Öfchen, verteilt Werkzeuge und Maschinen auf Tischen und Werkbänken, versorgt seine Gäste mit flüssiger und fester Nahrung, muntert sie auf, gibt ihnen technische Tipps, hält sie bei Kräften und bei Laune. Das Mosaikmaterial kommt aus Haushaltsspenden zusammen, wie auch diesmal aus Gudruns Kellerbeständen:
Gudrun aus Ferch, "gleich hier die Straße hoch", hat für ihre Kreativität eine besondere Quelle angezapft: die Erinnerung an ihre Eltern und deren Tierkreiszeichen. Ihr Vater war Widder im westlichen, ihre Mutter Schlange im chinesischen Tierkreis. Also, ihr Projekt: Schlange auf Widder, ihr langgestreckter Körper von hinten um den seinen geschlungen, ihr Kopf an seinen Hals geschmiegt, nahe an seinem Ohr: schmeichelnd, weissagend, verfüh-rerisch. Ein archetypisches Paar.
Darf ich einen Blick auf ihre Konstruktionsskizze werfen? Klar! Ich staune nicht schlecht: eine technische Zeichnung mit eigenem Kunstcharakter. Kein Wunder - Gudrun ist Absolventin der Kunsthochschule Halle in der Burg Giebichenstein. "Wie ist denn der Tierkörper entstan-den?", möchte ich wissen. "Aus Styropor geformt, mit Moskitonetz und Draht umwickelt und dann mit flexiblem Fliesenkleber verputzt. Der ist wasserabweisend. Falls ich das Tier in den Garten stellen möchte." Die langen grazilen Hörner aus Drahtgeflecht müssen abgestützt werden, bis der Verputz völlig ausgetrocknet ist. Für Gudruns kunsthandwerklich geschulten Hände ein vergnügliches, wenngleich entschleunigtes Gestaltungsabenteuer! Es wird ein drittes Kreativ-Wochenende für sie geben. Ich brenne darauf, ihre Tierskulptur in finaler Gestalt zu sehen!
Marcel begrüßt Anke aus Caputh, die Neue in der Mosaik-Gruppe: "Was willste denn machen?"
"Hm, weiß noch nicht. Bisschen rumhängen vielleicht."
"Ja, kannste machen, aber die beiden Tage sind schnell rum."
Kurzer Rundgang durch die Werkstatt und übers Gelände zur Inspiration.
"Also, ich stell mir eine Tischplatte vor, für die Terrasse."
"Mein Tipp: fang klein an, DIN-A3 oder DIN-A4. Und der Anfang von allem: 'ne gute Vorbereitung. Skizze muss her."
Nach weiteren Kreativminuten:
"Ich mach jetzt einfach mal ein Bild. Nach Skizze. Marcel nötigt mich ja zur Struktur!"
"Ne, zur Idee!"
Marcel holt aus "Künstlers Vorrat" eine Styrodur-platte für Anke. "Da ist die Haftbrücke, eine Art Netz, schon auf dem Styropor drauf. Kennste bestimmt von der Badewannen-verkleidung. Lässt sich super drauf kleben."
Meister und Novizin schreiten zur Tat. Noch ein Gestaltungs-tipp von ihm: "Mach dein Bild dreidimensional, zum Bespiel mit aufgeklebten Styroporwellen."
Die perfekte Welle, summt Anke Julis Song an. Der Text passt, finde ich:
Das ist die perfekte Welle
Das ist der perfekte Tag
Lass dich einfach von ihr tragen
Denk am besten gar nicht nach
Es gibt mehr, als du weißt
Es gibt mehr, als du sagst.
Und Anke lässt sich tragen: von Marcels Anregungen ("Meine Empfehlung: mach sie runder, die Wellen") und handwerklicher Anleitung ("Mit dem Kleber nicht kleckern, sondern klotzen. Zahnstocher zur Stabilisierung") und seinem Startschuss in die künstlerische Selbsttätigkeit: "Jetzt weißte, wie's geht. Kannste das Nächste selbst machen."
Und Anke kann's: Bis zum Workshop-Ende hat sie ihr Wellen-Bild hergestellt: mit Messers Schärfe und unerschrocken im Styroporkugelhagel, mit einfallsreicher Materialauswahl (Mosaiksteinen, halbem Tellerrand, abgebrochenem Tassengriff, abgeschnittener Kaffeekannentülle) und überlegter Farbgebung. Kreative Quantensprünge!
Zwischendurch wechselt das Meister-Lehrlings-Gespann die Ansage: "Marcel, Kleber ist alle. Mach mal neuen!" Marcel macht und liefert. "Toller Service", strahlt Anke, "hab ich so ge-bucht!" Aber nicht bezahlt: Die Kursgebühren übernimmt ihr Arbeitgeber als Fortbildungs-kosten. Denn Anke arbeitet als Ergotherapeutin in Berlin-Lankwitz mit psychisch erkrankten Erwachsenen im Wohnbereich. "Sie ist, ergo, immer da!", wirft Marcus ein. Und das hand-werkliche, vor allem das kunsthandwerkliche Arbeiten ist erlebnis- und handlungsorientiert und bringt Therapeutin und Patienten Freude und um wertvolle Schritte weiter.
"Da kommt noch ein hoher Rahmen drum", denkt Anke ihr Projekt zu Ende. "Aber aus einer alten Holzkiste gebastelt. Der Bruch im Porzellan soll sich im Holz wiederholen." Und LEDs, innenliegend rund um den Rahmen, als Glamour. Ein Highlight in ihrer Wohnlandschaft! Und ein Motivationsschub für ihre Patienten!
Inzwischen sind es 30° gefühlte Betriebstemperatur in der Mosaikstube. Kreatives Schaffen setzt innere Wärme frei: mit Konzentration auf das Tun, Staunen über den Fortschritt, Überraschung über kreative Sprünge und Zielspannung auf das fertige Werk.
Mit seinem All-inclusive-Mosaik-Programm nicht nur im "KreativHerbst in Schwielowsee" hat Marcel Krüßmann ins Schwarze getroffen. Bei seinen Kursgästen, die "glücklich sind mit ihrer Kunst".
Punktlandung auch bei seiner Partnerin Petra, Fotografin und Grafikerin, ein Multitalent wie er.
Marcels "Mosaikkurse für die Großen und die Kleinen von 9 - 99 Jahren" gehen am letzten Oktoberwochenende für dieses Jahr zu Ende. Ab Mai 2022 öffnet er seine Mosaik-Werkstatt und sein Wald Atelier wieder.
Wer schon mal auf Ideensuche für seine Mosaikkunst 2022 gehen möchte, kann einen Rundgang durch Marcels virtuelle Mosaik-Galerie machen und trifft dort auf erstaunliche Kreationen seiner Workshop-Künstler: www.wald-galerie-ferch.de/workshops-ags.
Die Wald Galerie Ferch geht ab November in den Winterschlaf. Marcel setzt dann auf sein zweites Standbein, die Musik. Ihr findet und hört den Singer-Songwriter mit seiner Band Icke in Berlin und Umland: www.icke.chillrock.de.
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