Wim Westfield zeigt seine Foto-Serie „Sea & Sirens“ in der Stadtgalerie KUNST-GESCHOSS in Werder
Frauen, unbekleidet und unbeatmet, sind in den Meerestiefen weltweit schwimmend unterwegs. Sie begegnen Rochen, Meeresschildkröten, Walhaien, Krokodilen und sogar „Jesus below surface“ vor der Küste Kroatiens: friedfertig Auge in Auge, in synchroner Flossenschwingung oder in eleganter Fluchtbewegung. Models sinnlich wie die Sirenen, das Wasser urgewaltig. "Ich suche ein Fotomodell, ein Mädchen, das sportlich und mutig ist, da mitzuspielen", sagt ...
Der Fotograf Wim Westfield ist mit seiner Unterwasserkamera und Taucheraus-rüstung den Model-Sirenen hinterher. Er muss unter Wasser länger aushalten als seine Fotomodelle. Manchmal landet das perfekte Foto sofort im Kasten. Aber nicht selten springen Models bis zu 200mal ins Wasser, bis der perfekte Schuss im Speicher ist und beide Agenten aus diesem Aqua-Abenteuer wieder auftauchen und nach Frischluft schnappen können. Jedes Bild ist echt, keine Fotomontage.
In seinem Element ist Westfield mit Profi-Equipment unter Wasser. Er bekennt: "Ich liebe diesen Job. Und ich liebe es, auf dem Meer zu sein, zu tauchen und zu fotografieren. Es gibt nichts Schöneres!"
Die Fotos, die Wim Westfield jeweils aus seinen Serien auswählt, für seine weltweit bewunderten Ausstellungen wie für seine Fotokalender, haben es in sich: Für das Auge des Betrachters wird ästhetisch verhüllt, was „ein kalkuliertes Risiko“ für Fotograf und Modell darstellt: die Begegnung des Menschen mit der Naturgewalt Wasser und den größten Meerestieren.
Annäherung an ein Riesen-Reptil
Wie nähert sich Wim dem "Cuban Croc"? Mit einem Hühnerbein. Im kubanischen Naturreservat leben Krokodile ohne Kontakt mit Menschen, also auch ohne Einschätzung ihres Beutewertes. Wim macht das Croc vorsichtshalber satt: "Wir haben das Krokodil mit einem Hühnerbein aus einer Gruppe von Krokodilen herausgelockt", erklärt der Fotograf 2019 in einer deutschen TV-Sendung. "Ich bin dann mit dem Krokodil eine Dreiviertelstunden lang geschwommen und es passierte nichts. Dann hab ich dem Model gesagt: Ok, du kannst reinkommen. Und in dem Moment, als sie reinspringt, da ruft der Guide ihr nochmal zu: Watch your hands, watch your fingers. Und dann reißt sie die Arme nach hinten und sie ist vielleicht so eineinhalb Meter vor dem Krokodil. Und das Witzige ist, sie gucken sich an. Und es sieht fast so aus, als ob sie sich anlächeln. Sie hat die Arme nach hinten, das Krokodil hat die Vorderläufe nach hinten. Und das ist ein Zeichen, dass beide in einer friedlichen Position sind." Dennoch: Für dieses finale Foto taucht Model Julie Rekord: 200mal in die flachen Fluten der Karibik.
Friedliche Mensch-Meerestier-Momente
Besucher der Ausstellung Sea & Sirens bleiben staunend stehen vor Westfields großformatigen Fotoarbeiten. Professionell auf Alu-Dibond gezogen und hinter Acrylglas versiegelt garantieren sie visuellen Genuss auch noch nach 75 Jahren. Und sind mit einer maximalen Auflage von sechs Stück durchaus eine Wertanlage.
Doch nicht Technik und Wertbeständigkeit faszinieren die Betrachter in erster Linie, sondern das „Außergewöhnliche“: „Die Idee, Land- und Meeresbewohner im Element Wasser zusammenzubringen! Und dann diese Unerschrockenheit des Models, sie schwimmt ja geradewegs und mit offenen Armen auf den Rochen zu, mit seinen riesigen Brustflossen. Unglaublich, diese parallelen Wellenbewegungen! Das nimmt dem Tier und dem Menschen seine Gefährlichkeit. Denn seinen Stachel setzt er schon ein, der Rochen, wenn er sich bedroht fühlt.“
Der Reiz des Unbekannten trieb Westfield schon zu DDR-Zeiten an. Nach seinem Studium der Fotografie in Halle und Leipzig vor mehr als 30 Jahren zog es ihn wie Odysseus hinaus als Segler um die Welt. Erst als Künstlern in den 1980er-Jahren Reisepässe ausgestellt wurden, konnte Westfield (damals noch unter seinem bürgerlichen Namen, den er nicht preisgeben möchte) ausreisen und von Travemünde aus in See stechen. Dort ist er heute gestrandet, wenn ihn nicht Auftragsarbeiten renommierter internationaler Magazine wie Mare, Geo und Yacht wieder in die Weltmeere hinausführen. Oder nach Werder an der Havel.
Wellen über Klippen Wie Odysseus vom Gesang der Sirenen angelockt und wie er kalkuliert risikobereit, lässt sich der Fotograf auch auf andere Fotoabenteuer ein: die Konfrontation mit der Welle.
Model oder wilde Natur? Auf ein Motiv will Westfield sich nicht festlegen. „Die höhere Herausforderung“, meint er, liege bei den Models und wilden Meerestieren. „Weil bei den Wellen, da kann ich mir eine Position heraussuchen. Bei Mensch und Tier, da weiß ich, da gibt es viele unbekannte Faktoren."
"Eine Position heraussuchen" - das klingt leichter, als es ist. Vor Hawaii etwa können Wellen 16 bis 18 Meter hoch werden. Um sie im Foto festzuhalten, überwindet Westfield Klippen anderer Art. Der örtliche Amplitudenkalender errechnet die wenigen Tage im Jahr mit der Monsterwelle. Dann wird der Strand aus Sicherheitsgründen abgesperrt. Der Fotograf versteckt sich Stunden vorher auf einer Landzunge, legt sich geduldig auf die Lauer, um die Welle aus einer schrägen Perspektive abzulichten - und dann in flinker Flucht ihrer Wucht zu entkommen. So erscheint die Welle noch gewaltiger, majestätisch fast, mit riesigen Schwingen wie der Adler, König der Lüfte. Selbst in ihrer eingefrorenen Fotoablichtung auf der Ausstellung wirkt "Green Eagle" atemberaubend wild.
Dann die kalte Dusche am Strand von Hawaii: Beim Rückzug von der Landzunge muss Westfield durchs Sperrgebiet, läuft direkt in die Arme der örtlichen Polizei. Der Deutsche stellt sich taub für die englische Sprache, die er fließend beherrscht. Kein Übersetzer zur Hand auf der entlegenen Insel. Sein Glück! Nach Stunden lässt man ihn laufen. Am nächsten Tag das gleiche Spiel, diesmal relaxter auf Behördenseite: „Here we go again - that crazy German guy - Der verrückte Deutsche schon wieder!“ Sie winken ihn durch.
Model, Meer und Magie In transparenter feuerroter Seidenhülle, vom Wind körperum-schmeichelnd aufgebauscht, streckt eine junge Frau auf den Klippen im auslaufenden Surf am Strand von Hawaii die Hände einladend in den Himmel - offen für eine erotische Begegnung. Model Jule verkörpert im Auge des Fotografen und seiner Kameralinse "Burning Desire"(Foto 1). In derselben Robe und ähnlichem Ambiente von Wind und Meer, aber in geneigter Körperhaltung lässt der Fotograf sie als "Fireball" auf den Betrachter zurollen (Foto 3). Und in "Red Coral" (Foto 2) mutiert Model Coco für einen Augen-Blick zur Meeres-Koralle.
Sinnlichkeit inszeniert im und am Meer, am "Morning / Evening in Palace", im "Mandarin Boat"
Die Macht der Weiblichkeit wird durch Wim Westfield ästhetisch transformiert und ist weit entfernt von naturalistischer Direktheit. Er spielt variantenreich mit dem Thema Erotik, einer, wie es scheint, unerschöpflichen Quelle seiner Inspiration. Sein fotografisches Auge gestaltet erotische Ästhetik nicht minder meisterhaft wie der bildende Künstler in Malerei und Skulptur.
Westfields Bilder sind auf Ausstellungen im In- und Ausland zu bewundern und bereichern Museen wie private Sammlungen.
Kurator, Dozent und Künstler Frank Weber betreut die Ausstellung "Sea & Sirens - Photographs by Wim Westfield" in Werder Inselstadt, Uferstraße 10 (an der Regattastrecke). Sie ist bis zum 5. September 2021 geöffnet, immer donnerstags, samstags und sonntags von 13 bis 18 Uhr. Am 6. September 2021, einen Tag nach Ende der Ausstellung, trifft der Fotograf um 10:15 mit der 11. Klasse eines Werderaner Gymnasiums zu einem Workshop zusammen.
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